literatur der ddr (ausschnitt)

aus gegebenem anlass ein paar wenige doch bedeutende vorschläge zur lektüre von literatur des bis heute überschriebenen staates, überschrieben von deutungen aus gewinner- verlierer- verklärer- verdammer- despotischer trotziger ideologischer nationalistischer rassistischer perspektive was alles die ddr war und nicht war ob wahr oder nicht wahr bis hin zur verlogensten ost-eroberung als wende 2.0 und der westdeutschen selbstgefälligkeit, auf sachsen mit dem finger zu zeigen. es lohnt sich hingegen, sich dem land ddr aus literarischen künstlerischen perspektiven zu nähern, um die konflikte widersprüche irrealitäten ideologien und gewalten in ihren wirkungen und auswirkungen zu erfahren. nirgends besser als in der vielfältigen literatur (und im damaligen theater als die eigentliche opposition) lässt sich die mentalität des staates ddr erfahren.

hier nun fünf vorschläge, die sich abseits bekannter autor*innen (wie zb christa wolf, christoph hein, volker braun, heiner müller, stefan heym, hermann kant) bewegen:

  • maxie wander – „guten morgen, du schöne“. frauen in der ddr. protokolle. buchverlag der morgen, berlin 1977. (westdeutsche lizenzausgabe: sammlung luchterhand 1979)

Dies ist ein Buch, dem sich jeder selbst hinzufügt. schreibt christa wolf in ihrem vorwort. es ist das vermutlich wichtigste buch, das selbst keine literarische intention hat: in 17 lebensbeschreibungen von frauen zeichnet sich ein bild der ddr in enormer radikalität: Frauen, durch ihre Auseinandersetzung mit realen und belangvollen Erfahrungen gereift, signalisieren einen radikalen Anspruch, als ganzer Mensch zu leben, von allen Sinnen und Fähigkeiten Gebrauch zu machen.

  • ulrich plenzdorf – kein runter kein fern. erstausgabe suhrkamp, frankfurt a.m. 1984.

das erstaunlichste an dieser formal außergewöhnlichen erzählung ist: plenzdorf erhielt für den text 1978 den ingeborg-bachmann-preis in klagenfurt. eine erzählung, die von den bekannten werken plenzdorfs (die legende von paul und paula, die leiden des jungen w.) leider vollkommen überdeckt wird.

  • hans-eckardt wenzel – lied vom wilden mohn. gedichte. mitteldeutscher verlag halle leipzig, 1984.

Der wilde Mohn wächst nicht im Garten. in diesem scheinbar banalen vers steckt das ganze rebellische potential der späten ddr-kulturszene. wild und lebendig kann im eingehegten normierten hübsch anzusehenden kulturstaat ddr nichts gedeihen. einige der mit der kraft des sturm&drang geschriebenen gedichte hat wenzel zwei jahre später auf „stirb mir ein stück“ eingesungen.

  • adolf endler – tarzan am prenzlauer berg. reclam leipzig 1996.

ein buch nach dem ende der ddr, doch gehen diese sudelblätter auf tagebuchaufzeichnungen von 1981-83 zurück. endler flaniert im ostberlin der 1980er jahre, sein spiel mit sprache, mit bedeutungen, mit kollegen und realitäten nennt er selbst phantasmagorische prosafragmente – in einem der eigentümlichsten literarischen biotope in deutschland des 20. jahrhunderts.

  • die übergangsgesellschaft. stücke der achtziger jahre aus der ddr. reclam leipzig 1989.

während die staatsführung mit gorbatschows politik wenig anfangen konnte, interessierten sich die autor*innen und das theater umso mehr für den sich abzeichnenden wandel, im drama konnte unzweideutiger kritisch erzählt und bilanziert werden – ohne zu ahnen, dass der satz aus volker brauns komödie (!) die übergangsgesellschaft DIE BLEIBE, DIE ICH SUCHE, IST KEIN STAAT schon den einsetzenden abgesang bedeutete.

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