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park chan-wook – durst

park chan-wook erzählt komplexe dramen, die an klassische bühnenstücke erinnern, mit allerlei fallstricken und doppelten böden, und stets politisch. zentrale motive bei park sind rache, moralität und radikale befreiung des individuums, körperlich, intellektuell, sozial. sein in der westlichen kultursphäre vermutlich bekanntester film ist old boy von 2003, der auch als einer der prägenden filme des modernen südkoreanischen kinos gilt, doch zu diesem film später ausführlicher. in durst von 2009 wird auf unerwartete weise der vampirmythos aufgegriffen und grandios variiert.

vampire sind auch in der koreanischen populärkultur vertraut. während im hollywood-kino vorrangig die blutig-mörderische seite für den mythos von den menschlichen blutsaugern interessant scheinen, stellt park chan-wook in durst das erotische, sexuelle und die körperlichkeit ins zentrum seines film – und die frage nach moral.

der pater sang-hyeon (song kang-ho), der sich für experimente zur verfügung gestellt hat, um ein gegenmittel gegen ein tödliches virus zu finden, infiziert sich jedoch dabei mit einer art vampirvirus und ernährt sich fortan von blut. diese grundbedingung der figur wird im film immer weiter entwickelt: er handelt falsch aus ihm richtig scheinenden motiven. so glaubt er tae-joo, die frau seines jugendfreundes kang-woo, mit der er ein verhältnis beginnt, vor ihrem brutalen mann beschützen zu müssen und sie ertränken ihn gemeinsam. die mutter von kang-woo erleidet darauf einen schweren schlaganfall. die schuld belastet sang-hyeon so schwer, dass er letztlich auch tae-joo tötet, nachdem sie ihm offenbart hat, dass sie sich selbst verletzt hat und nicht kang-woo. aus erneuter schuld macht er tae-joo zum vampir. während er aber als priester sein eigenes vampir-dasein ablehnt, genießt sie es vollkommen.

durst thematisiert in der beziehung von sang-hyeon und tae-joo neben dem widersprüchlichen verhältnis von moralischem handeln und schuld bzw entschuldung auch körper und lust. so sehr er tae-joo auch begehrt, so stößt ihn ihr blutdurst und mordlust als vampir schließlich ab. für ihn ist das vampirsein eine bürde, die sein moralisches selbstbild als christ stört. sie versteht das vampirsein als lustvolle erlösung von einer starren, engen bürgerlichkeit. der vampir ist damit eine körpermetapher für das, was im nicht-vampir-körper vorher falsch gelaufen ist und nun nicht mehr eingehegt werden kann: sang-hyeon hat als priester enthaltsam gelebt und ist als vampir gezwungen, sein begehren und das töten anzuerkennen. für tae-joo stellt es sich umgekehrt dar, sie musste vorher nüchtern und angeödet leben und kann sich nun über die stränge schlagend nach sang-hyeons ansicht frei entfalten.

dadurch „fehlen“ dieser vampir-erzählung eine reihe typischer motive wie etwa burggruften, särge und sonstige schauer-elemente. überhaupt ist durst weitab vom horrorgenre, durch sein überschaubares personal hat der film beinah kammerspiel-charakter und konzentriert sich im wesentlichen auf amour-fou und schuldaspekte der ungleichen hauptfiguren. dies ist auch der zusammenhang zu emile zolas roman thérèse raquin, den park als bezugsquelle für durst angab: der niedergang eines paares aufgrund eines verbrechens, bei park jedoch ins koreanische normalbürgertum der gegenwart versetzt und in surrealen genremitteln überformt. daher entfallen auch sämtliche vampirjagd-themen, die in hollywood-filmen gern und bildreich auserzählt werden. im gegenteil ist parks film fast schon zärtlich und stellt sich als film selbst lustvoll aus: in seiner ästhetik, seiner farblichen gestaltung und seinen amüsierten genreüberscheitungen, in denen sich der eigentlich selbst bemitleidende priester herumtreiben muss.

park chan-wook: durst. südkorea 2009. 133min.

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