lee chang-dong – secret sunshine

lee chang-dongs filme, obwohl sie auf internationalen festivals stets mit auszeichnungen geehrt werden, sind dem europäischen publikum größtenteils unbekannt. in deutschland sind nur zwei seiner sechs filme überhaupt auf dvd erschienen, lediglich sein bisher letzter film burning lief 2019 in ausgewählten programmkinos. das mag auch mit lee selbst zu tun haben, der sich 2007 gegen kommerzielles kino wandte, kulturminister südkoreas war, und filme in einem sich dem hochgeschwindigkeitsbilderrausch des zeitgenössischen kinos widersetzenden tempo dreht, für die man sich tatsächlich zeit nehmen sollte – lees filme sind in ihrer trügerischen ruhe doppelbödige dramen, die sich nicht schon beim ersten sehen erschließen.

secret sunshine von 2007 ist bereits im titel schwer zu fassen, eine widersprüchliche naturmetapher, in der eigentümlich tröstendes verborgen zu sein scheint. mit dem blick in die natur, in den blauen himmel über einem tal, aus einem liegengebliebenen auto, beginnt der film: in dieser harmlosen landschaft wartet shin-ae mit ihrem kleinen sohn auf jemanden, der sie mitnimmt nach miryang, eine stadt im südosten koreas, wo sie als klavierlehrerin ein neues leben beginnen will. denn ihr mann, der vater des sohnes, ist verstorben und ihm zu gedenken zieht sie in seine geburtsstadt – deren name secret sunshine bedeutet, wo sie übergangsweise in eine kleine wohnung zieht und eigentlich ein baugrundstück sucht. doch der so entworfene neuanfang scheitert, als der sohn entführt und schließlich ermordet wird – und shin-ae den verlust und die trauer versucht, mit hilfe einer evangelikanen kirchengemeinde zu verarbeiten. sie entwickelt sich zu einer überzeugten gläubigen und ist schließlich sogar bereit, dem mörder ihres sohnes bei einem besuch im gefängnis zu vergeben. doch der mann zeigt sich ebenfalls bekehrt, von gott erleuchtet und zu vergebung und frieden gefunden zu haben – ein schock, den shin-ae kaum verkraftet.

secret sunshine ist ein intensives, außergewöhnliches drama um verlust, trauer, vergebung und eine frau, die kaum die kraft findet, sich ihrem schmerz zu stellen, zudem ständig in begleitung von jong-chan, der sie am anfang auf der landstraße aufsammelt und mit aufdringlicher hilfsbereitschaft ihre nähe sucht. doch schon der umzug nach miryang lässt sich ebenso wie der eintritt in die religiöse gemeinschaft als flucht lesen, ihr sie besuchender bruder konfrontiert sie mit der tatsache, dass ihr mann sie betrogen hat, und nicht nur ihr kind wurde ihr grausam entrissen, auch um den glauben fühlt sie sich letztlich betrogen, so dass sie eine messe unter freiem himmel mit einem song stört, der über die gebetsstimme des freikirchlichen priesters laut „lüge, lüge, lüge“ schreit. als ein „in vielen nuancen funkelndes, stilles juwel“ wurde der film beschrieben, der mit „beeindruckender beiläufigkeit“ und „unerbittlicher logik ohne künstliche beschleunigungen oder verzögerungen shin-ae’s passionsgeschichte“ erzählt. insbesondere jeon do-yeon beeindruckt in ihrer darstellung, die in cannes als beste hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde und lange zeit zweifel hatte, ob sie fähig wäre, die figur shin-ae glaubhaft zu vermitteln.

secret sunshine ist nicht zuletzt dank ihrer darstellung ein herausragender und herausfordernder, vielschichtiger, konsequenter film, der vehemente kritik an den gebaren der christlichen kirchen südkoreas formuliert, von seinen darsteller*innen und dem gänzlich entschleunigten erzähltempo lebt. und von der tatsache, dass die figuren nie erklärt werden in ihren handlungen, wodurch sie trotz der großen nähe auch der kamera doch unerwartet-rätselhaft und fern bleiben, im verdeckten sonnenlicht.

lee chang-dong: secret sunshine. südkorea 2007. 142min.

Eine Antwort zu „lee chang-dong – secret sunshine“

  1. […] unaufdringlich, eindrücklich und mit einer erzählerischen ruhe, die im koreanischen kino nur von lee chang-dong bekannt ist – es ist keineswegs überraschend, dass eben dieser als produzent des films […]

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