bong joon-ho – memories of murder

angesichts eines offenkundig rachegetriebenen innenministers, zweier polizeigewerkschaften, diversester medien und freunde rassistischen handelns, die alle zugleich jagd auf eine poc-autorin machen wegen einer bös treffenden kolumne, denn Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen was für alle beteiligten in staatlichen gewalt-monopol-positionen selbstverständlich keine grundlage zu strafanzeigen gegen nazis und sonstige afd-parteigänger bedeutet – – – angesichts eines bewussten übertönens relativierens verdrängens einer debatte über staatliche gewalt und strukturellen rassismus unserer armen ungeliebten freund&helfer-polizei bundeswehr ksk etc, habe ich mich entschieden, einige filme bereits jetzt zu besprechen.

brutale gewalt und selbstgefällige unfähigkeit von polizisten ist ein genrebildender topos im koreanischen kino. es gibt eine vielzahl von filmen, die ein tiefes misstrauen gegen die staatliche ordnungsmacht ausdrücken. geprägt von den wechselhaften erfahrungen des 20.jhd mit besatzung, krieg, nachkrieg, militärdiktaturen, attentaten, putsch-versuchen und enormer korruption, baute sich wenig vertrauen zu staatlichen institutionen auf. das kino der frühen 2000er jahre bildet diese tiefe skepsis offen anklagend in zum teil verstörenden bildern ab. diese phase eines offen geführten diskurses über staatliche gewalt immedium der kunst scheint jüngst jedoch vorüber. das heutige action-kino ist erneut problematisch geworden, da es versucht, verlorene reputation aus den davor liegenden jahrzehnten mit hanebüchenen plots, hollywoodesken schauwerten und klaren gut-böse-konstellationen ideologisch zurückzugewinnen. (ein paar ausgewählte filme dieses modernsten action-genres, wie etwa the suspect, sollen hier dennoch raum erhalten, der vollständigkeit halber.) doch hier sollen polizeikrimis betrachtet werden, die wesentlich substantieller sind und immer auch wieder deutlich über das genre hinausweisen, den leichtesten einstieg bietet bong joon-ho mit memories of murder: es ist eine geschichte aus der spätzeit der militärdiktatur der 1980er jahre, sie handelt von extremer gewalt und staatlicher unfähigkeit, diese zu begreifen und zu verfolgen, da sie selbst von gewalt und unverstand komplett korrumpiert ist.

in der südkoreanischen provinz werden zwei frauenleichen entdeckt, vergewaltigt und grausam getötet. der lokale polizeikommissar park sieht sich technisch unterlegen, die spurensicherung ist ein desaster, als erkenntnismethode behauptet park, den menschen schuld im gesicht ablesen zu können. der aus seoul angereiste spezialbeauftragte seo, der auf rationale moderne methoden vertraut, soll bei den ermittlungen helfen. unter den willkürlich ausgewählten verdächtigen ist der geistig behinderte baek, von dem park mittels seines aggressiven mitarbeiters cho ein geständnis herausprügeln lässt, da er seo für zu weich hält. nach weiteren getöteten frauen entdeckt seo mehrere muster, tat bei regen, rotes kleid, ein spezielles lied im radio als ankündigung. doch die ermittlungsfehler, die weitere frauenmorde und schließlich auch baeks tod zur folge haben, nehmen nicht ab, so dass am ende der fall ungelöst bleibt.

der film beruht auf der realen mordserie in hwaseong zwischen 1986 und 1991, wo es ebenfalls zu ermittlungsfehlern und falschen tatverdächtigen und mit folter erpressten geständnissen kam. erst 2019 konnte diese serie aufgeklärt werden. memories of murder erzählt die untersuchungen aus sicht des selbstgefälligen und unfähigen park (einmal mehr von song kang-ho gespielt), der sich der rationalen aufklärungsarbeit von seo verweigert und damit den blick offenbart auf ein abgrundtiefes misstrauen und unverständnis gegenüber den realen verhältnissen in der gesellschaft. so sitzen park und cho beim fadenspiel, während im hintergrund seo mit dutzenden polizisten eine wiese nach einer frauenleiche absucht. gleichzeitig verweist die enorme grausamkeit, mit der die frauen vergewaltigt und getötet werden, auf die der patriarchalen gesellschaft zugrunde liegende gewalttätige haltung gegenüber frauen: so wie park und cho mit dem wehrlosen baek brutal und rücksichtslos umspringen, so werden die machtverhältnisse gegen frauen in den leichenfunden – gefesselt, wehrlos – grausam präsentiert. das versagen der staatlichen gewalt, die bürgerliche ordnung wieder herzustellen und sicherheit zu gewährleisten, ist somit den strukturen patriarchaler macht inhärent als herrschaft und verfügungsgewalt über als schwach gesehene menschen. mit seiner titelgebung memories bezeugt bong diese gewalt als sowohl vergangen als auch nach wie vor aktiv, da die mordserie im film eben nicht aufgeklärt ist und park am ende zum fundort der ersten leiche zurückkehrt und von einem schulkind die auskunft bekommt, ein ganz normal aussehender mann habe kürzlich ebenfalls hier nachgeschaut: die normalen männer sind aber eigentlich alle, die serienmorde, der femizid scheint unabschließbar. diese unabschließbarkeit wird damit im film als signatur des landes gezeigt: die verbrechen sind nicht aufgearbeitet, nicht nachgeforscht und nicht gesühnt, wir, das land, die gesellschaft sind gezeichnet von tiefen wunden. so wird memories zu einem psychogramm der modernen südkoreanischen gesellschaft, ein land voll unaufgearbeiteter, unverstandener, noch immer wirksamer gewaltverbrechen. die morde und die katastrophal gescheiterte polizeiarbeit wirken bis ins jetzt fort.

memories of murder ist ein film über nicht aufgearbeitete, gewaltfördernde, inhumane patriarchale strukturen und mechanismen in einer gesellschaft und ihren staatlichen exekutiv-insitutionen. die farbgebung im historischen teil der erzählung ist schmutzig grün und erinnert an albtraumhafte, traumatische erscheinungen, die in der kurzen rahmenhandlung in der filmischen jetzt-zeit längst nicht verblasst, sondern im gegenteil weiterhin wirksam. bongs film ist daher nicht nur ein äußerst spannender kriminalfilm, zugleich auch das psychogramm einer dysfunktionalen, hierarchischen gesellschaft.

bong joon-ho: memories of murder. südkorea 2003. 131min. fsk 16.

3 Antworten zu „bong joon-ho – memories of murder“

  1. […] kinos forderte das publikum heraus und gab neue impulse. filmereignisse wie oldboy, memories of murder, oasis oder samaria und viele weitere herausragende filme der 2000er jahre zeugen von einer […]

  2. […] femizid ist in den 2000er jahren wiederholt thema in koreas kino, sei es in memories of murder, the chaser oder frühling, sommer, herbst, winter … und frühling. dass jedoch derart […]

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