ebenfalls eine enttäuschung ist der dritte film von na hong-jin, the wailing, im deutschen mit dem untertitel „die besessenen“ versehen, eigentlich aber „die klagenden“ meinend. an diesem film ist, ähnlich seinem vorgänger the yellow sea, der einfluss hollywoods anzumerken. seit die amerikanischen filmstudios den ostasiatischen markt für sich entdeckt haben, sowohl als absatzmarkt der eigenen filme als auch durch kooperationen die dortige kinoproduktion zu beeinflussen, sowohl im chinesischen als auch koreanischen kino sind diese kooperationen inzwischen zu einem finanzstarken standard geworden – seitdem lässt sich beobachten, wie die qualität der kofinanzierten und koproduzierten filme nachgelassen hat. in na hong-jins the wailing lässt sich das anschaulich nachzeichnen.
na hong-jin hat erneut einen genre-film gedreht, diesmal aber im mystery/horror-bereich angesiedelt. und auch dieser film, wie sein vorgänger, verlässt das genre nicht und ist damit nur ein mystery-streifen in technischer perfektion und filmischem hochglanz, doch ohne geist und seele.
in einem abgelegenen dorf fangen leute unbegründet an, sich grausam zu töten. bestimmte merkmale an ihren körpern sind auffällig. die tochter des dorfpolizisten jeon jung-gu hat zu seiner bestürzung eines tages die gleichen symptome. man geht von einer übernatürlichen, dämonischen macht aus. ein zum zeitpunkt der ersten morde am dorfrand auftauchender alter japaner scheint mit den morden in verbindung zu stehen. eine ebenfalls auftauchende weißgewandete frau jedoch auch. der polizist ruft die hilfe eines schamanen herbei, doch auch dieser kann den dämon nicht vertreiben. tatsächlich gelingt es dem bösen dämon, der sich wirklich in der gestalt des alten japaners verbirgt, die tochter zum mord an ihrer familie zu bewegen.
das mystery/horror-genre hat sich seit den anfängen vom grusel-film (nosferatu, dracula) zum vordergründigen ekel-schocker (der exorzist, the thing) hin zum psychologischen thriller (spätestens seit the shining) entwickelt. der mystery/horror-film zeichnet sich durch eine extreme verengung des blicks und starke lichtkontraste aus (am prägnantesten in the blair-witch-project), betont damit die psychologische natur der furcht vor dem unbekannten/unbegreiflichen und das subjektive erleben des horrors: das sichtbare ist ein abbild des inneren mysteriums. die psychologische lesart des horrors bzw der angst vor dem unverstehbaren ist häufig in gut/unschuldig-böse = engel-dämon dichotomie und religiöser semantik formuliert, oft findet sich das dunkle böse auch als unterwelt angelegt, es ist kein zufall, dass der psychologische begriff des unterbewussten ebenfalls im „unten“ lokalisiert ist: das da unten ist eben die hölle, ein teuflisches mysterium, das nichts gutes will. in the wailing sind die kammern des bösen ebenso düster, meist nur von kerzen beleuchtet, der dämon sitzt schließlich in einer unterirdischen höhle. ein bitterböses märchen über glauben und vorurteile soll the wailing sein, indem katholizismus und schamanismus, exorzismus, okkulte und moderne unversöhnlich miteinander konkurrieren. doch so tief- bzw untergründig geht es tatsächlich nicht zu, es sind die eindeutigkeiten, die den film prägen, die klaren und international lesbaren bilder und christlichen mystery-film-motive, trotz des lärmend in bunten gewändern tanzenden schamanen: vorangestellt ist ein zitat des lukas-evangeliums, die zur täuschung angenommene gestalt des japaners eröffnet den film am fluss sitzend und einen köder auf einen angelhaken spießend – hier wird nach menschenseelen gefischt. der vom falschen körper befreite dämon ist schließlich als teufel dargestellt mit hörnern und rot glühenden augen, so verhext er die seelen der unschuldigen = naiven menschen als strafe für ihre vergehen, wie es die weiße frau am ende erklärt. es ist eine recht simple, bildgewaltige doch biblische psychologie, die im film durcherzählt wird. der gute engel (die weiß gekleidete frau) ist nur des kontrastes wegen da, denn ein teufel muss durch einen engel ausbalanciert werden im streit um die menschenseelen, doch dieser sieht letztlich taten- und chancenlos zu. auch hat sie stets nur auftritte am rand der szenerie und erklärt dem polizisten die in seinem dorf stattfindenden vorgänge. da sie in ihren weißen gewändern für alle unschwer als die gute erkannt wird, der film den dämon schon längst offenbart hat, gibt es auch nach des schamanen irrtum keinen ernsthaften zweifel daran, ihre aussagen könnten gelogen sein.
dass mit the wailing auch ein amerikanisches publikum mitgedacht wurde, ist an den teilweise grotesk belanglosen dialogen und der ungebrochenen gut-böse-zeichnung der figuren hörbar: denn hollywood-kino lässt sich an seinen eindeutigen und erklärenden/belehrenden figuren erkennen. ein gänzlich ernst gemeinter dialog zwischen der namenlosen frau und dem gutmütigen polizisten jeon klingt etwa so:
– Sagen Sie, was sind Sie: eine Frau oder ein Geist?
– Warum fragen Sie das?
– Weil ich wissen will, ob ich Ihnen vertrauen kann.
als wäre es wirklich notwendig, dies so konkret auszusprechen, ja als wäre eine lüge als antwort gar undenkbar. unmittelbar davor rief der schamane den polizisten an, da er glaubte, die frau sei das eigentlich böse. gegen diesen dialog geschnitten wird zudem die verwandlung des japaners in den dämon: so wird eindeutigkeit hergestellt und die bilder erklärt, völlig dimensionslos.
dass der dämon in gestalt eines alten japaners auftritt, der in der dorfbevölkerung ausschließlich auf misstrauen und ablehnung trifft, bis hin zur rassistischen bezeichnung als „der japse“, kann nur mit dem hang zur eindeutigkeit erklärt werden. das motiv des bösen fremden eindringlings wird hier ohne jeden doppelten boden auserzählt und bestätigt alle vorhandenen antijapanischen ressentiments. dass korea und japan eine komplizierte geschichte insbesondere zu beginn des 20. jahrhunderts teilen, ist bekannt. warum es einen japaner als diabolischen fremden benötigt, erschließt sich für den film überhaupt nicht, fügt im gegenteil einen unangenehmen beigeschmack hinzu. zu einem insgesamt zu langen film, den man ein wenig beklagen kann.
na hong-jin: the wailing. südkorea 2016. 156min.
Schreibe einen Kommentar