zum 75. jahrestag der befreiung des kz auschwitz, dem tag des gedenkens an die opfer des nationalsozialismus, auch hier einige wenige, zu wenige der lesenswerten literarischen auseinandersetzungen mit dem nicht abschließbaren. es ist mehr eine aufzählung und dringende leseempfehlung für alle, die glauben, dass die beschäftigung mit dem nationalsozialistischen deutschland und seinen verbrechen irgendwie zu wichtig genommen würde.
die deutschsprachige nachkriegsliteratur ist geprägt von den erfahrungen des krieges und vom wiederaufbau, nimmt die systematische verfolgung und ermordung aller von der rassenideologie der nazis ausgeschlossenen und die systematische vernichtung der europäischen juden nicht in den blick. erzählungen, berichte, gedichte über oder gar von überlebenden aus den lagern sind selten. primo levis berühmter autobiografischer bericht ist das ein mensch? aus dem kz auschwitz wurde beim erscheinen 1947 kaum beachtet. in deutschland mühte man sich, nicht an zurückliegendes zu denken ( ein großartiger film zu diesem bemühen ist christian petzolds phoenix ) und startete je nach blickwinkel aus der kapitulation bei stunde null ( nach roberto rossellinis film ) bzw nach der befreiung der zukunft zugewandt – die offiziellen bezeichnungen des 8. mai in den beiden neugegründeten deutschen staaten könnten sich kaum stärker voneinander unterscheiden .
die konzentrations- und vernichtungslager rücken erst 15 jahre nach kriegsende ins bewusstsein, der berühmte prozess gegen adolf eichmann und hannah arendts bericht und die auschwitzprozesse in frankfurt am main, wesentlich vorbereitet vom hessischen staatsanwalt fritz bauer, nehmen den holocaust erstmals in den blick. 1962 erscheint mit dem buch lebensläufe das debüt von alexander kluge darin die sehr kurze und wahrscheinlich bekannteste geschichte von ihm ein liebesversuch ( die er später auch als 13minütiges video bearbeitete ) über stattgefundenen medizinische experimente an kz-häftlingen . 2014 veröffentlichte kluge in gedenken an fritz bauer eine sammlung von 48 geschichten für ihn : wer ein wort des trostes spricht ist ein verräter .
die literarischen publikationen zum holocaust ( als weit gefasster terminus für alle opfergruppen der nationalsozialistischen rassen-, verfolgungs- und vernichtungspolitik, um die einmaligkeit der planmäßigen vernichtung der europäischen juden einzeln zu erfassen steht der begriff shoah ) sind kaum aufzuzählen, vom roman eines schicksalslosen bis zu den wohlgesinnten, hinzukommend literatur aus den ghettos wie etwa jakob der lügner oder gedichte des beim aufstand im warschauer ghetto getöteten polnischen autors władisław szlengel – eine mögliche anlaufstelle zu publikationen der sogenannten holocaustliteratur ist die arbeitsstelle holocaust der justus-liebig-universität gießen .
doch nicht nur das ( literarische ) gedenken an die opfer ist insbesondere in diesem jahr in die debatte geraten, auch das gedenken selbst rückt mehr und mehr in den blickpunkt angesichts rassistischen und offen antisemitischen gedanken worten taten terror . und nicht zuletzt aufgrund der politischen vereinnahmung und damit verkehrung verharmlosung nationalisierung des gedenkens . eines der stärksten bücher zu eben diesem thema war 2019 yishai sarids erzählung monster – ein junger israeli ohne allzu viele ambitionen fürs leben wird widerwillig zum historiker in der israelischen gedenkstätte yad vashem und später tourguide in deutschen vernichtungslagern insbesondere auschwitz maidanek treblinka und darin sehr erfolgreich – so erfolgreich dass ihn ein deutscher filmregisseur schließlich manipuliert : das oder die monster der erinnerung – des verbrechens – der schülergruppen – der absurden gedenkspektakel – – – in der als bericht der hauptfigur gefassten erzählung gerät vieles für den namenlosen erzähler monströs und auswegslos überhandnehmend und welche der deutungen des unfassbaren verbrechens sind zulässig unter all den möglichen ? monster ist eines der stärksten bücher sowohl über die shoah als auch das ringen der nachfolgenden und heutigen generationen sich mit ihr zu beschäftigen und dieser beschäftigung nicht entkommen zu können, denn der holocaust geht nicht weg .
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