beschrieb memories of murder 2003 die historische signatur der südkoreanischen gesellschaft, die ihre traumata verdrängt hatte, erleben wir in the chaser fünf jahre später das auseinanderbrechen eben dieser gesellschaft. hier sind nur noch einzel- und partikularinteressen am destruktiven werk, einen überblick oder gar verständnis für ein gesamtbild entwickelt keine einzige figur, was katastrophale folgen hat. und spoileralarm: es wird im danach folgenden film noch schlimmer.
es geht um den rücksichtslosen zuhälter joong-ho, ehemaliger polizist in seoul, der das verschwinden seiner prostituierten mit einem kunden in zusammenhang bringt. joong-ho verdächtigt den kunden, den sympathisch wirkenden yeong-min, die frauen nach china zu schleusen. tatsächlich hat yeong-min die frauen alle grausam getötet, selbst als er dies der polizei gegenüber offenbart, glauben ihm weder die polizisten noch joong-ho und vermuten einen verwirrten wichtigtuer ähnlich dem mann, der den bürgermeister bei einer veranstaltung mit kot bewarf. die von yeong-min verschleppte und schwer verletzte mi-jin, die ebenfalls für joong-ho arbeitet, schafft es, sich aus ihrer lage zu befreien, doch yeong-min trifft sie zufällig wieder und tötet sie. mi-jins tochter, die joong-ho während seiner suche nach dem schleuser begleitet, bleibt mit joong-ho zurück.
an dieser inhaltsskizze ist erkennbar: dieser film ist auf vielen ebenen abgründig. schon die hauptfigur joong-ho bietet nur bedingt identifikationsfläche, wer vom polizisten zum zuhälter umsattelt, hat einen beachtlichen moralischen niedergang absolviert. er erniedrigt seinen mitarbeiter rund um die uhr, schickt mi-jin vom krankenbett zur arbeit und spricht mit allen personen ausnahmslos arrogant und aggressiv. die nachverfolgung von yeong-mins verschwinden ist ausschließlich von seinem drohenden ruin motiviert, selbst ihre sechsjährige tochter eun-ji behandelt er nicht besser. erst als er yeong-mins schwester aufsucht und erfährt, dass yeong-min deren sohn grausam verstümmelt hat und dafür im gefängnis war, ahnt er, dass yeong-min die wahrheit gesagt haben könnte. yeong-min wiederum ist als ein dämon gezeichnet, unauffällig, hübsch, verletzlich wirkend, dass die polizei seinen worten nur deshalb versucht, glauben zu schenken, da sie selbst unter erfolgsdruck steht und positive resultate vorweisen muss. doch yeong-min tötet sadistisch im keller eines hauses, dessen eigentlichen besitzer er ebenfalls ermordet hat, um ungestört an frauen „rache“ zu nehmen für seinen makel der impotenz. der einzige funken hoffnung in diesem durch und durch beklemmenden film ist die wandlung joong-hos zum fürsorger für die waisin eun-ji.
dass der film den patriarchalen begriff von frauen als objekt, ware, dienstleistung, schlachtvieh, und das maskuline selbstbild von stärke, dominanz, (sexueller) gewalt und ausbeutung grundsätzlich ablehnt, ist überdeutlich.die nachforschungen joong-hos mit eun-ji als ihn nervende begleiterin führen ihn zu verschiedenen privaten zuhälterfirmen, die über die gesamte stadt verteilt sind, die frau als geschäftsgrundlage erscheint als völlig selbstverständlich so wie bäckereien nichts skandalöses haben. auffällig ist, wie orientierungs- und hilflos sämtliche figuren agieren, mit ausnahme von yeong-min, dem es völlig egal zu sein scheint, was mit ihm selbst geschieht, als wäre ihm von anfang an klar, dass sein geständnis für die überarbeiteten polizisten viel zu übertrieben klingt, um ihm glaubhaft gefährlich zu werden. beklemmend ist die gesamte stimmung des films, die räume im film sind chaotisch, eng und schlecht beleuchtet, die wohn- und büroräume sind von erschreckender armut geprägt (ausnahme ist yeong-mins besetzte villa), auch die straßen und wege eng, düster und verwinkelt, die darstellung der stadt seoul ist labyrinthisch angelegt, lediglich der eingang – ein laden an einer ecke – lässt sich identifizieren. anhand seiner orte zeichnet the chaser das bild einer gesellschaft, die offenkundig jede illusion verloren hat, in der die ordnungskräfte bemüht aber hilfslos da überlastet und kaum gewertschätzt sind – offensichtlich einer der gründe, warum joong-ho seinen dienst quittierte. selbst das brutalo- und machogehabe der (ex-)polizisten ist hauptsächlich leere pose und gewöhnlicher umgangston, als dass es irgendeinen rest tougher coolness der maskulinen selbstermächtigung amerikanischer polizeigewaltsfantasien bezeugen würde.
the chaser wurde 2008 als debütfilm von na hong-jin der dritterfolgreichste kinofilm. der kontrast zu den beiden noch erfolgreicheren filmen (die komödie scandal makers und der effektreich-alberne western the good, the bad, the weird, zu letzterem an anderer stelle mehr) könnte größer kaum sein. dass ein derart destruktiver, zutiefst skeptischer, hochspannender und kluger film mit so überzeugender figurenzeichnung und darstellung je in deutschland produziert und dann auch noch zu den drei erflogreichsten filmen des jahres zählen könnte, lässt sich angesichts eines dominierenden schweiger-schweighöfer-kinos in diesem land nicht vorstellen.
na hong-jin: the chaser. südkorea 2008. 123min. fsk 18.
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