mit dem abschlussfilm der rache-trilogie öffnet park chan-wook das koreanische kino in die moderne und zeigt einmal mehr, wie innovativ und kunstvoll das medium film sein kann. die figur der sich blutig rächenden frau wird gebrochen durch die motive der barmherzigkeit und weitet sich zu einer feministischen fabel über die möglichkeiten eines selbstbestimmten lebens für eine frau im modernen korea/in der westlichen welt. lady vengeance (2005) ist komplex erzählt und ebenso wie seine hauptfigur wünderschön und düster – und setzt damit den ton für spätere filme.
der femizid ist in den 2000er jahren wiederholt thema in koreas kino, sei es in memories of murder, the chaser oder frühling, sommer, herbst, winter … und frühling. dass jedoch derart elegant wie in lady vengeance gegen das patriarchat rebelliert werden würde, war selbst in zeiten von kill bill 1+2 so nicht erwartet worden. im gegensatz nämlich zu tarantinos beatrix kiddo und ihrer japanischen ahnin lady snowblood ist lee geum-ja keine übertrainierte einzelkämpferin, sondern stützt sich auf ein solidarisches netzwerk für ihren racheplan.
in nichtchronologischer folge erzählt lady vengeance, dessen original-titel die gutherzige frau geum-ja heißt, von eben jener lee geum-ja, die mit 19 für einen mord an einem 5jährigen zu 13 jahren haft verurteilt wurde. in einem frauengefängnis erarbeitet sie sich schnell den ruf eines gutherzigen engels und schafft es, sich unter den mithäftlingen ein vertrauensvolles netzwerk aufzubauen, auf das sie nach ihrer entlassung zurückgreifen kann. sie verfolgt konsequent und in aller ruhe den plan, sich an mr. baek zu rächen. bei ihrem ehemaligen klassenlehrer hatte sie zuflucht wegen einer ungewollten schwangerschaft gefunden, mr. baek zwang sie allerdings, sein eigenes verbrechen der kindesentführung und -tötung mit lösegelderpressung auf sich zu nehmen, andernfalls würde sie ihr eigenes kind auch verlieren. nach dem ende der haftstrafe sucht sie ihre von einem australischen paar adoptierte tochter jenny, diese aber erzwingt gegen den wunsch der eltern die gemeinsame reise nach seoul. über eine ehemalige mitgefangene macht geum-ja mr. baek ausfindig, kidnapt ihn und bringt ihn in eine leerstehende schule. als geum-ja herausfindet, dass mr. baek noch weitere kinder getötet und die morde auf video aufgezeichnet hat, versammelt sie die eltern der getöteten und gibt ihnen ebenfalls die möglichkeit, sich an mr. baek zu rächen. der kommissar, der seinerzeit lee geum-ja als mörderin präsentierte, wohl wissend, dass sie es nicht war, lässt die gruppe gewähren. lee geum-ja bittet schließlich jenny um verzeihung, da sie ihr keine mutter sein konnte und sein wird, mit dieser schuld wird sie leben müssen.
der film lebt viel weniger vom motiv der rache als der internationale verleihtitel verspricht. die ikonografie zeichnet lee geum-ja als wesentlich definiert vom widerspruch zwischen barmherzigkeit und todesengel, als dass sie wie eine zornig-kalte rächerin gezeigt würde. zwar spielt auch hier der schnee eine motivisch wichtige rolle in diesem farblich sehr genau gearbeiteten film, doch nicht als leinwand für elegante blutfontänen sondern als symbol für einen zustand der reinheit, der sich nicht wiederherstellen oder dauerhaft halten lässt. frau geum-jas plan der rache gerät durch den willen ihrer leiblichen tochter jenny sie zu begleiten durcheinander, da sie sich so der schuld stellen muss, ihr kind frühzeitig verlassen zu haben. wie grandios park diese überlagerung der themen rache und schuld in filmische bilder zu übersetzen weiß, zeigt eine szene in der verlassenen schule: geum-ja lässt mr. baek als englischlehrer ihr geständnis bzw ihre erklärung und entschuldigung an die ebenfalls im raum befindliche jenny ins englische übersetzen, da jenny kein koreanisch kann. so wird der mann, der das leben der beiden frauen vollständig erschüttert und als beziehung zerstört hat, gleichzeitig zum medium und werkzeug, das mutter-tochter-verhältnis sagbar und damit verstehbar, sogar reparierbar erscheinen zu lassen. rache, schuld, misericordia sind in dieser szene unmittelbar zusammengefügt und überlagern sich, so dass es geum-ja nachfolgend nicht schafft, mr. baek zu töten, erst durch die entdeckung der weiteren kindermorde und ihrer beweismaterialien wird der racheplan möglich – indem geum-ja die eltern der anderen kinder so stark emotionalisiert und manipuliert (eine motiv-reminiszenz an den vorgänger oldboy), dass diese mr. baek bereitwillig brutal töten, während geum-ja ihre als tötungswerkzeug konzipierte pistole erst auf den in der grube liegenden toten körper abfeuert. geum-ja hat ihre rache erfolgreich outgesourced unter mithilfe des ehemaligen polizisten, der es sich als persönliche niederlage nicht verzieh, die nachweisbar unschuldige geum-ja damals aufgrund extremer öffentlicher aufmerksamkeit als täterin präsentiert zu haben.
einen anderen aspekt erzählt lady vengeance außerdem, und hier ist parks film gradezu visionär: er zeichnet das bild eines sich gegenseitig stützenden, schützenden netzwerks von frauen, die ihre souveränität und ihren widerstand gegen die patriarchalen strukturen auf sehr unterschiedliche weisen ausleben, ob als künstlerin, die den judith-mythos für ihre kundinnen stets neu darstellt, ob als unterwürfige hausfrau, die für den richtigen zeitpunkt zum verrat ausharrt oder als outlaw-pärchen, das sich eine nische gefunden hat – sie alle helfen geum-ja bei ihrem rache-vorhaben, so wie sie ihnen während des aufenthalts im frauengefängnis half, und sei es auch, dass sie dafür eine unsolidarische mitgefangene töten muss. der film zeigt somit die notwendigkeit für die schaffung von netzwerken abseits der patriarchalen systemmöglichkeiten, verkörpert vom aufdringlichen, stalkenden priester, dessen rolle es ist, geum-ja ihren platz zur unterordnung zu weisen oder sie, da sie sich wehrt, ans messer zu liefern und sie ermorden zu lassen – was geum-ja abzuwehren weiß. lady vengeance zeigt so eine emanzipierte frauenfigur, psychologisch glaubwürdig und tiefgehend ausgearbeitet, und ihren japanisch-amerikanischen vorläuferinnen weit voraus.
lady vengeance ist ein vielschichtiger, komplexer, in seiner musikalität, seiner expressivität und im kontext des sowohl koreanischen als auch internationalen kinos außergewöhnlicher film, der den leidens- und befreiungsweg einer frau gegenüber einer misogynen realität nachzeichnet. eine thematik, die park in die taschendiebin aufgriff und noch einmal weiterentwickelte.
park chan-wook: lady vengeance. südkorea 2005. 115min. fsk 16.
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