barbenheimer bezeichnet das phänomen der zeitgleich gestarteten filme barbie von greta gerwig und oppenheimer von christopher nolan vor einem monat. um beide filme entstand gleichzeitig ein enormer hype und erfolg, der so nicht vorzusehen war. insbesondere die vollständige gegensätzlichkeit der beiden filme scheint zu einer lust am widersprüchlichen geführt zu haben, denn konträrer in thematik, gestaltung und tonart könnten zwei filme zur gleichen zeit kaum sein: hier ein überzuckert-flippiger film mit franchise-absicht über ein weltbekanntes spielzeug mit durchaus unterkomplexer feministischer botschaft, dort ein extrem verlangsamtes epos über einen widersprüchlichen wissenschaftler in verschachtelter erzählweise. mehr gegensatz ist im amerikanischen blockbuster wohl unmöglich.
und doch sind sie eindeutig amerikanische filme über rein us-amerikanische themen. so unterschiedlich die filme sind, so sehr haben sie den gleichen kern: den mythos amerika weitererzählen, mit allen mitteln. greta gerwigs barbie versucht, die als anti-feministische ikone bekannte und verachtete spielzeugpuppe aus dem hause mattel irgendwie für eine doch sinnvolle feministische erzählung neu zu deuten, indem sie die puppe mit der realen welt des patriarchats kollidieren und von drei frauen-generationen – der alten barbie-erfinderin ruth handler, einer desillusionierten frau und mutter und ehemalige barbie-besitzerin in ihren 40ern sowie deren pubertierender tochter und barbie-hasserin – mit feministischer lehre aufladen lässt. christopher nolans in zwei zeitebenen spielender film erzählt anhand der person oppenheimers, der mit enormem aufwand die erste funktionsfähige atombombe entwickelte, die moralische unverlässlichkeit der politischen usa. denn so sehr oppenheimer auch gefördert wird mit hilfe des verteidigungsministeriums, als erste die kaum zu kontrollierende bombe zu haben, während des zweiten weltkrieges und gegen die ebenfalls an der bombe arbeitenden nazis, so sehr wird ihm nach dem krieg und den ersten beiden bombenabwürfen letztlich der prozess wegen verrats gemacht. nolan erzählt zugleich sowohl die faszination an der bombe an sich als auch die politische doppelmoral aus schmutzigen motiven – in einer auf 3 stunden gedehnten ewigkeit.
barbie bezieht seinen unterhaltungswert aus dem bubblegum-cinema mit hohem tempo und bunten tanzeinlagen, bedient sich dabei eines holzhammer-feminismus mit vorgeführten, bodenlos dummen männergestalten und einer margot robbie als barbie, die wie keine andere schauspielerin derzeit künstliche figuren verkörpern kann – von harley quinn zu barbie ist es nicht weit -, die feministischen themen wirken aber an ihr wie eine weitere kostümierung. hinzu kommt, dass der culture clash von barbie-welt und realer welt nicht mehr offenbart, als dass auch die realen menschen bzw vor allem die männer eigentlich so hohl wie puppen sind. kein wunder, dass die patriarchale welt den heimlich bei barbie mitgereisten ken auf saudumme gedanken bringt und barbie zu tränen rührt, weil sie von der pubertierenden göre als faschistin bzeichnet wurde und an der bushaltestelle eine alte frau gesehen hat. (in beiden szenen verlässt der film ungewollt die figur der barbie und nimmt die perspektive der zuschauerinnen ein: woher weiß barbie, was eine faschistin ist, die in ihrer welt nicht existiert? warum sagt sie der alten frau, dass sie schön ist, obwohl sie falten und zellulitis fürchtet wie die pest und eine gealterte barbie ebenfalls nicht existiert? solche unreflektierten brüche in der figurenzeichnung fallen in all dem bunten treiben schon gar nicht mehr ins gewicht.) der film erzählt somit nur den kulturkampf frauen vs männer und einen feminismus von vor langer zeit, zudem auf materieller ebene: spiel mit barbie, doch spiel mit ihr richtig – aber um himmels willen nicht mit einem anderen spielzeug! das kann man lustig finden oder nervig, barbie ist im wesentlichen eine intellektuelle unterforderung: die frau-werdung von barbie initiiert sich darin, dass sie am schluss – als könnte es nichts schöneres für eine frau geben! – endlich auch zu einem gynäkologen gehen kann. uff.
christopher nolans oppenheimer ist erwartbar komplexer und anspruchsvoller, und doch ist es wieder nur ein typischer nolan-film, der sich selbst sehr gern reden hört, perfekte bilder zelebriert – und wie in jedem guten nolan-film mit einem groß gefilmten countdown aufwartet: es macht die bombe 3 – 2 – 1 – bumm. oppenheimer geht den langen weg des überdehnten epos und zeigt geballte männlichkeit, die frauenfiguren sind randerscheinungen, es gibt nur männer in opulenten und an sich selbst berauschten bildern. die figur oppenheimer wird wie in der buchvorlage mit dem zivilisationsbringer prometheus überhöht, die grenzüberschreitung des feuerbringens ist hier mit der zerstörungskraft der atombombe parallel gesetzt. die manie nolans, einen realistischen film zu schaffen, konterkariert er immer wieder mit aussagen der figuren, die um ihre deutung der nachgeborenen wissen. „…weil es hier um das verdammt nochmal wichtigste ereignis in der weltgeschichte geht“ sagt matt demons lieutenant general leslie groves einmal und der satz wirkt komplett ahistorisch und deplatziert, wie andere ähnliche bemerkungen, die auf die interpretation der geschehnisse verweisen. selbstverständlich war den am manhattan project beteiligten klar, was sie taten, aber nicht im sinne der welthistorischen nachbedeutung, sondern in erster linie, um einer atombombe der nazis zuvor zu kommen. die deutung und bedeutung wurde auch einem oppenheimer erst nach den abwürfen über hiroshima und nagasaki klar, zuvor hatte er hingegen die befürchtung, mit der bombe augenblicklich in einer kettenreaktion die gesamte atmosphäre zu verbrennen. nolan arbeitet mit solchen ahistorischen verschiebungen seinem eigenen realismus-fetisch zuwider, bei dem alles so „echt“ und „wahr“ wie nur möglich aussehen und das fiktive zum verschwinden bringen soll. es ist ein grotesker irrtum in dieser überlangen biografie, die hauptsächlich den weg bis zum erfolgreichen bombenbau sowie den späteren verratsprozess der mccarthy-ära erzählt, den restlichen lebensweg hingegen ausblendet. nolans arbeitsweise wie filmschaffender irrtum ist der extreme hang zu einem hyperrealismus, der in oppenheimer zum spleen wird: jede kulisse ist eine exakte kopie des originals, die bombenexplosion soll echter als echt aussehen und alles soll vor allem beeindrucken – dabei war nolan schon einmal bedeutend weiter:
was im fantastischen genre des comicfilms mit der dark knight trilogie herausragend funktionierte, eben weil es KEIN realistisches kino war, sondern die comic-fiktion mit der kino-fiktion kombinierte, wie ein realer bruce wayne / batman heute aussehen könnte: es entstand ideale cineastische illusion, weil die filme räume öffneten für das imaginäre – es ist außergewöhnliches kino. jedoch ist eine filmische biografie über eine reale persönlichkeit trotz aller realistischer engführung immer auch fiktion, eben weil es eine erzählung ist, die seine gestalterischen und wertenden elemente nie wird leugnen können, warum sollte sie auch. nolan aber versucht genau das in seinem hyperrealismus zu ignorieren, obwohl er sich auf der filmischen ebene genau dieser fiktionalisierenden mittel – farbe vs s/w – interpretierend bedient. die frage ist also: wozu dieser allzu eifrige realismus, als „echtheit“ missverstanden? nolans kino möchte das handwerkliche betonen gegenüber dem beliebig computergenerierten bild und so einen moralischen mehrwert der erzählung hinzufügen. das ist einerseits sympathisch, andererseits aber ebenso eitel, da nolans ästhetik die der perfektion ist, es soll echt, wahr und sauber sein (umso verwunderlicher die schnittfehler im finalen gespräch oppenheimer-einstein). nolan schafft dabei andächtige und perfekte Bilder, die nach fotografien von oppenheimer komponiert sind, und doch bleibt es eine absurd künstliche wirklichkeit, so wie auch die stadt los alamos in der wüste new mexicos nichts als ein künstliches gebilde war. nolan aber versucht sie fotorealistisch nachzubilden: es ist diese art der beeindruckung durch makellose oberfläche, die in den vergangenen nolan-filmen stets zu verfolgen war. das bild triumphiert über seinen inhalt.
Barbie verfolgt den exakt gegensätzlichen Ansatz: offensive Fiktionalisierung und ausgestellte Imagination. So gelingt Greta Gerwig in der ersten halben Stunde ein tatsächlich aufregendes Kinoereignis, weil hier alles vollkommen künstlich ist, und doch sind die Puppenfiguren wie im Imaginationsraum eines spielenden Kindes lebendig und agil. Barbie duscht zB mit Duschgeräuschen aber ohne Wasser – und auch ihr Erschrecken darüber, dass eben dieses inexistente fiktive Wasser plötzlich eiskalt ist, ist absolut glaubwürdig. Nolans Oppenheimer hingegen ist gerade aufgrund des hyperrealistischen Ansatzes oft genug nicht glaubwürdig, weil immer wieder das interpretierende Medium Film das behauptete „Echte“ und „so war es wirklich“ durchstreicht. Nolans Film ist sich seiner Künstlichkeit oftmals erstaunlich wenig bewusst, etwa wenn „Wissenschaft“ gezeigt wird: Ein „echter“ Physiker wie Oppenheimer hat an einer Tafel zu stehen und in hoher Geschwindigkeit unbegeifliche Formeln an diese zu schreiben. Oder: Oppenheimer ist Wissenschaftler bis zur Nerdigkeit, also übersetzt er sogar beim Sex noch für die Geliebte Texte aus dem Sanskrit. Und ein böser Charakter wie Robert Downey Jr.s Lewis Strauss neigt von Anfang an zur Besserwisserei und ist so a priori unsympathisch, also zu keinem Zeitpunkt mögliche Identifikationsfigur. Von solcherlei stereotypen, bis zur Lächerlichkeit bekannten Bildern ist der Film voll, und natürlich ist es dem unantastbaren Wissenschaftsidol Einstein vorbehalten, das alles erklärende Schlusswort zu halten. Es sind einfache und wenig herausfordernde Bildwelten in einem Film, der sich selbst einmal mehr verliebt beim Dozieren über Wissenschaft zuhört, und das mit Realismus verwechselt.
Barbie, interessanterweise, scheitert filmisch aber ebenso an Fiktion und Realität, denn in dem Moment, wo Barbie und Ken in der „realen Welt“ erscheinen und später „echte“ Menschen in Barbies Spielzeugwelt, in diesem Moment verliert der Film sein hyper-unrealistisches Konzept des Puppen-Spiels und kippt ins Belehrende und Beliebige und ebenso Unglaubwürdige. Er findet für die hochmoralische feministische Erzählung keine kohärente Filmsprache mehr außer einer überbetonten pädagogischen Albernheit, die so tiefschürfend ist wie ein Popsong, von denen es bezeichnenderweise gleich mehrere inklusive ihrer Music-TV-Videos in voller Länge gibt.
Dort, wo Barbie eifrig belehrend wird, wird Oppenheimer trivial und selbstverliebt – und vor allem langweilig. Beide Filme finden keinen Rhythmus und formulieren ihre moralisierenden Aussagen – das Patriarchat ist Scheiße bzw die Atombombe war ne miese Idee – in sehr unsubtilen Bildern. Es ist dann eben doch Hollywood, das seinen Zuschauern stets alles erklärt, was auf der Leinwand zu sehen ist. Und es tut mir wirklich leid, aber mich ödet Nolans Kino inzwischen maximal an. Greta Gerwig hat wenigstens für selbstverliebte Langeweile schlicht viel zu viel Humor. Barbenheimer bleibt aber vor allem deshalb interessant, weil es ein Sommer-Ereignis war und darüberhinaus wenig bedeutsam.
Nachtrag 26.8.23: angesichts der unglaublichen Ereignisse seit dem sexuellen Übergriff des spanischen Verbandspräsidenten Rubiales gegenüber der frisch gekürten Fußball-Weltmeisterin Jenni Hermoso – Rubiales‘ trotzige, uneinsichtige Nicht-Entschuldigung, der enormen nationalen und internationalen Solidarisierung mit Hermoso bis zum umfangreichen Boykott der Nationalmannschaft, der angekündigten unfassbaren Klage gegen Hermoso und der Suspendierung von Rubiales durch die FIFA – zeigt sich das Patriarchat keineswegs lustig oder voller geistig minderbegabter Deppen sondern maximal autoritär und aggressiv: die sich wehrende Frau soll bestraft werden, nicht der übergriffige und komplett uneinsichtige Mann. So hätte die Geschichte von Barbie und Ken auch aussehen können, vllt sogar müssen…. #feminism
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